Wahrnehmung biographischer (Un-)Sicherheit bei "Postdocs" im Maschinenbau und in der Soziologie

Research output: ThesisDoctoral thesis

Authors

  • Grit Fisser

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Details

Original languageGerman
QualificationDoctor of Philosophy
Awarding Institution
Supervised by
  • Eva Barlösius, Supervisor
Date of Award17 May 2018
Place of PublicationHannover
Publication statusPublished - 2019

Abstract

Über kaum etwas herrscht in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung so große Einigkeit wie darüber, dass wissenschaftliche Werdegänge riskant sind. Über die Kennzahlen der äußeren Verhältnisse wissenschaftlicher Beschäftigungssituationen kommen verschiedene Studien unter Bezugnahme gängiger Merkmale prekärer Arbeit immer wieder zu demselben Ergebnis: Wissenschaftliche Werdegänge sind unsicher (Vgl. z.B. BuWiN 2013, Gülker 2011, Wagner-Baier et al. 2011, Jaksztat et al. 2010). Jener Fokus auf die äußeren Verhältnisse beleuchtet jedoch nicht das gesamte Bild. Arbeiten, die sich mit den äußeren Strukturen und Verhältnissen in der Wissenschaft beschäftigen, setzen voraus, dass diese auch als Probleme wahrgenommen werden. Die Frage, ob prekäre Beschäftigungsbedingungen auch immer zur Wahrnehmung von Unsicherheit führen, ist erst zu stellen. Die Perspektive dieser Arbeit fußt auf der Verbindung von Hochschul-, Lebenslauf- und Biographieforschung. Diese Forschungsfelder bündeln sich in der Betrachtung von wissenschaftlichen Werdegängen und den Wahrnehmungen der Akteure selbst. Ich stelle die Frage, wie Postdocs im Maschinenbau und in der Soziologie biographische Unsicherheit wahrnehmen. Unter biographischer Unsicherheit kann nach Wohlrab-Sahr die Unerwartbarkeit, Unplanbarkeit und Unvorhersehbarkeit des eigenen Lebenslaufs verstanden werden (Wohlrab-Sahr 1993). Diese entsteht durch eine immer größer werdende Optionsvielfalt einer stets komplexer werdenden Gesellschaft. Die Statusgruppe der Postdocs wurde gewählt, da ich wissenschaftlichen Nachwuchs im eigentlichen Sinne untersuchen wollte. Promotionsmotive junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sehr verschieden und nicht immer mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Karriere verbunden. Die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs in der Wissenschaft steigt in der Postdocphase (vgl. Enders/Bornmann 2001). Die Disziplinen Maschinenbau und Soziologie wurden auf Grund ihrer sehr unterschiedlichen Rekrutierungs- und Reproduktionspraxen sowie unterschiedlicher Arbeitsmarktchancen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft gewählt. Mittels teilnarrativer Interviews wurden die Berufsbiographien von 32 Postdocs erhoben (18 aus dem Maschinenbau und 14 aus der Soziologie). Es wurden beide Geschlechter in die Betrachtung mit einbezogen. Zur Beantwortung der Forschungsfrage gehe ich mittels subsumptiver Kodierung in Anlehnung an Eßer und Zinn (2001, 2003) mit den fünf Analysekategorien biographischer Gesamtzusammenhang, Basissicherheit, Konstruktion von Zukunft, biographisches Handeln und schließlich Wahrnehmung biographischer Unsicherheit an das vollständig transkribierte Material heran. Unter der Analysekategorie biographisches Handeln wird bei Eßer und Zinn die Bezugnahme der eigenen Biographie zum Normallebenslauf gefasst. Im Hinblick auf meine Untersuchungsgruppe der Postdocs erweitere ich diese Analysekategorie um die Bezugnahme zu Normalitäten in der Wissenschaft. Zu den Ergebnissen: Es konnten bei den Maschinenbauerinnen und Maschinenbauern fünf und bei den Soziologinnen und Soziologen vier Typen der Wahrnehmung biographischer Unsicherheit herausgebildet werden. Diese reichen von keiner Wahrnehmung biographischer Unsicherheit im Maschinenbau, über die Wahrnehmung biographischer Unsicherheit als selbstreferentielles Risiko in beiden Disziplinen und der Wahrnehmung biographischer Unisicherheit als fremdreferentielle Gefahr in der Soziologie. In einem letzten Analyseschritt wurden diese Typen disziplinübergreifend zusammengefasst. Vor allem dieser letzte Schritt verdeutlicht das Kernergebnis der vorliegenden Dissertationsschrift. Jebesser die vorherrschenden äußeren Bedingungen des eigenen Werdeganges zur jeweils eigenen biographischen Referenzfolie passen, desto geringer scheint der Grad der wahrgenommenen biographischen Unsicherheit zu sein. Entscheidend ist also eine biographische Passung beider Elemente ohne zwingenden Zusammenhang zwischen äußeren Verhältnissen und der Wahrnehmung. In diesem Zusammenhang konnte ebenfalls herausgestellt werden, dass von Postdocs in der Lesart der vorliegenden Arbeit nur gesprochen werden kann, wenn neben den äußeren Bedingungen auch die biographische Intention des wissenschaftlichen Werdegangs vorliegt.

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Wahrnehmung biographischer (Un-)Sicherheit bei "Postdocs" im Maschinenbau und in der Soziologie. / Fisser, Grit.
Hannover, 2019. 371 p.

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TY - BOOK

T1 - Wahrnehmung biographischer (Un-)Sicherheit bei "Postdocs" im Maschinenbau und in der Soziologie

AU - Fisser, Grit

PY - 2019

Y1 - 2019

N2 - Über kaum etwas herrscht in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung so große Einigkeit wie darüber, dass wissenschaftliche Werdegänge riskant sind. Über die Kennzahlen der äußeren Verhältnisse wissenschaftlicher Beschäftigungssituationen kommen verschiedene Studien unter Bezugnahme gängiger Merkmale prekärer Arbeit immer wieder zu demselben Ergebnis: Wissenschaftliche Werdegänge sind unsicher (Vgl. z.B. BuWiN 2013, Gülker 2011, Wagner-Baier et al. 2011, Jaksztat et al. 2010). Jener Fokus auf die äußeren Verhältnisse beleuchtet jedoch nicht das gesamte Bild. Arbeiten, die sich mit den äußeren Strukturen und Verhältnissen in der Wissenschaft beschäftigen, setzen voraus, dass diese auch als Probleme wahrgenommen werden. Die Frage, ob prekäre Beschäftigungsbedingungen auch immer zur Wahrnehmung von Unsicherheit führen, ist erst zu stellen. Die Perspektive dieser Arbeit fußt auf der Verbindung von Hochschul-, Lebenslauf- und Biographieforschung. Diese Forschungsfelder bündeln sich in der Betrachtung von wissenschaftlichen Werdegängen und den Wahrnehmungen der Akteure selbst. Ich stelle die Frage, wie Postdocs im Maschinenbau und in der Soziologie biographische Unsicherheit wahrnehmen. Unter biographischer Unsicherheit kann nach Wohlrab-Sahr die Unerwartbarkeit, Unplanbarkeit und Unvorhersehbarkeit des eigenen Lebenslaufs verstanden werden (Wohlrab-Sahr 1993). Diese entsteht durch eine immer größer werdende Optionsvielfalt einer stets komplexer werdenden Gesellschaft. Die Statusgruppe der Postdocs wurde gewählt, da ich wissenschaftlichen Nachwuchs im eigentlichen Sinne untersuchen wollte. Promotionsmotive junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sehr verschieden und nicht immer mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Karriere verbunden. Die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs in der Wissenschaft steigt in der Postdocphase (vgl. Enders/Bornmann 2001). Die Disziplinen Maschinenbau und Soziologie wurden auf Grund ihrer sehr unterschiedlichen Rekrutierungs- und Reproduktionspraxen sowie unterschiedlicher Arbeitsmarktchancen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft gewählt. Mittels teilnarrativer Interviews wurden die Berufsbiographien von 32 Postdocs erhoben (18 aus dem Maschinenbau und 14 aus der Soziologie). Es wurden beide Geschlechter in die Betrachtung mit einbezogen. Zur Beantwortung der Forschungsfrage gehe ich mittels subsumptiver Kodierung in Anlehnung an Eßer und Zinn (2001, 2003) mit den fünf Analysekategorien biographischer Gesamtzusammenhang, Basissicherheit, Konstruktion von Zukunft, biographisches Handeln und schließlich Wahrnehmung biographischer Unsicherheit an das vollständig transkribierte Material heran. Unter der Analysekategorie biographisches Handeln wird bei Eßer und Zinn die Bezugnahme der eigenen Biographie zum Normallebenslauf gefasst. Im Hinblick auf meine Untersuchungsgruppe der Postdocs erweitere ich diese Analysekategorie um die Bezugnahme zu Normalitäten in der Wissenschaft. Zu den Ergebnissen: Es konnten bei den Maschinenbauerinnen und Maschinenbauern fünf und bei den Soziologinnen und Soziologen vier Typen der Wahrnehmung biographischer Unsicherheit herausgebildet werden. Diese reichen von keiner Wahrnehmung biographischer Unsicherheit im Maschinenbau, über die Wahrnehmung biographischer Unsicherheit als selbstreferentielles Risiko in beiden Disziplinen und der Wahrnehmung biographischer Unisicherheit als fremdreferentielle Gefahr in der Soziologie. In einem letzten Analyseschritt wurden diese Typen disziplinübergreifend zusammengefasst. Vor allem dieser letzte Schritt verdeutlicht das Kernergebnis der vorliegenden Dissertationsschrift. Jebesser die vorherrschenden äußeren Bedingungen des eigenen Werdeganges zur jeweils eigenen biographischen Referenzfolie passen, desto geringer scheint der Grad der wahrgenommenen biographischen Unsicherheit zu sein. Entscheidend ist also eine biographische Passung beider Elemente ohne zwingenden Zusammenhang zwischen äußeren Verhältnissen und der Wahrnehmung. In diesem Zusammenhang konnte ebenfalls herausgestellt werden, dass von Postdocs in der Lesart der vorliegenden Arbeit nur gesprochen werden kann, wenn neben den äußeren Bedingungen auch die biographische Intention des wissenschaftlichen Werdegangs vorliegt.

AB - Über kaum etwas herrscht in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung so große Einigkeit wie darüber, dass wissenschaftliche Werdegänge riskant sind. Über die Kennzahlen der äußeren Verhältnisse wissenschaftlicher Beschäftigungssituationen kommen verschiedene Studien unter Bezugnahme gängiger Merkmale prekärer Arbeit immer wieder zu demselben Ergebnis: Wissenschaftliche Werdegänge sind unsicher (Vgl. z.B. BuWiN 2013, Gülker 2011, Wagner-Baier et al. 2011, Jaksztat et al. 2010). Jener Fokus auf die äußeren Verhältnisse beleuchtet jedoch nicht das gesamte Bild. Arbeiten, die sich mit den äußeren Strukturen und Verhältnissen in der Wissenschaft beschäftigen, setzen voraus, dass diese auch als Probleme wahrgenommen werden. Die Frage, ob prekäre Beschäftigungsbedingungen auch immer zur Wahrnehmung von Unsicherheit führen, ist erst zu stellen. Die Perspektive dieser Arbeit fußt auf der Verbindung von Hochschul-, Lebenslauf- und Biographieforschung. Diese Forschungsfelder bündeln sich in der Betrachtung von wissenschaftlichen Werdegängen und den Wahrnehmungen der Akteure selbst. Ich stelle die Frage, wie Postdocs im Maschinenbau und in der Soziologie biographische Unsicherheit wahrnehmen. Unter biographischer Unsicherheit kann nach Wohlrab-Sahr die Unerwartbarkeit, Unplanbarkeit und Unvorhersehbarkeit des eigenen Lebenslaufs verstanden werden (Wohlrab-Sahr 1993). Diese entsteht durch eine immer größer werdende Optionsvielfalt einer stets komplexer werdenden Gesellschaft. Die Statusgruppe der Postdocs wurde gewählt, da ich wissenschaftlichen Nachwuchs im eigentlichen Sinne untersuchen wollte. Promotionsmotive junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sehr verschieden und nicht immer mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Karriere verbunden. Die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs in der Wissenschaft steigt in der Postdocphase (vgl. Enders/Bornmann 2001). Die Disziplinen Maschinenbau und Soziologie wurden auf Grund ihrer sehr unterschiedlichen Rekrutierungs- und Reproduktionspraxen sowie unterschiedlicher Arbeitsmarktchancen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft gewählt. Mittels teilnarrativer Interviews wurden die Berufsbiographien von 32 Postdocs erhoben (18 aus dem Maschinenbau und 14 aus der Soziologie). Es wurden beide Geschlechter in die Betrachtung mit einbezogen. Zur Beantwortung der Forschungsfrage gehe ich mittels subsumptiver Kodierung in Anlehnung an Eßer und Zinn (2001, 2003) mit den fünf Analysekategorien biographischer Gesamtzusammenhang, Basissicherheit, Konstruktion von Zukunft, biographisches Handeln und schließlich Wahrnehmung biographischer Unsicherheit an das vollständig transkribierte Material heran. Unter der Analysekategorie biographisches Handeln wird bei Eßer und Zinn die Bezugnahme der eigenen Biographie zum Normallebenslauf gefasst. Im Hinblick auf meine Untersuchungsgruppe der Postdocs erweitere ich diese Analysekategorie um die Bezugnahme zu Normalitäten in der Wissenschaft. Zu den Ergebnissen: Es konnten bei den Maschinenbauerinnen und Maschinenbauern fünf und bei den Soziologinnen und Soziologen vier Typen der Wahrnehmung biographischer Unsicherheit herausgebildet werden. Diese reichen von keiner Wahrnehmung biographischer Unsicherheit im Maschinenbau, über die Wahrnehmung biographischer Unsicherheit als selbstreferentielles Risiko in beiden Disziplinen und der Wahrnehmung biographischer Unisicherheit als fremdreferentielle Gefahr in der Soziologie. In einem letzten Analyseschritt wurden diese Typen disziplinübergreifend zusammengefasst. Vor allem dieser letzte Schritt verdeutlicht das Kernergebnis der vorliegenden Dissertationsschrift. Jebesser die vorherrschenden äußeren Bedingungen des eigenen Werdeganges zur jeweils eigenen biographischen Referenzfolie passen, desto geringer scheint der Grad der wahrgenommenen biographischen Unsicherheit zu sein. Entscheidend ist also eine biographische Passung beider Elemente ohne zwingenden Zusammenhang zwischen äußeren Verhältnissen und der Wahrnehmung. In diesem Zusammenhang konnte ebenfalls herausgestellt werden, dass von Postdocs in der Lesart der vorliegenden Arbeit nur gesprochen werden kann, wenn neben den äußeren Bedingungen auch die biographische Intention des wissenschaftlichen Werdegangs vorliegt.

U2 - 10.15488/5330

DO - 10.15488/5330

M3 - Dissertation

CY - Hannover

ER -